Geschichte
Die Geschichte der Lotsenbrüderschaft Elbe
Die ersten Lotsen waren Fischer
Schon im 13. Jahrhundert halfen die mit den Strömungsverhältnissen und Untiefen im Mündungsgebiet der Elbe vertrauten Fischer von den Inseln Helgoland und Neuwerk Handelsschiffen auf dem Weg nach Hamburg. Erstmals urkundlich erwähnt wurden die Elblotsen im Jahre 1575: Bei der Vermessung der Insel Neuwerk wurden 5 1/2 Morgen Land "...for 2 piloten ab den elvstrom" vorgesehen, die hier ihre bis in die Neuzeit als Fischerhäuser bezeichneten Anwesen errichteten. In dem gegen 1600 in der Mündung des Ritzebüttler Schleusenpriels durch Hamburg angelegten Koogshaven ( Cuxhaven ) etablierte sich allmählich das Seelotswesen der Elbe. Im Jahre 1610 vereidigte der Hamburger Rat seinen ersten “Piloten bey der Stadt“. Nach einer Reihe von Schiffsuntergängen gab sich Hamburg 1656 eine Pilotageordnung. Darin wurde festgelegt, dass alle Lotsen examiniert sein mussten und stets zwei Lotsenschiffe in der Außenelbe auf Postion zu sein hatten. Wer das Lotsgewerbe ausüben wollte, mußte von nun an ein Examen ablegen und wurde von der Admiralität vereidigt. Die Lotsen wurden daher bis zum Ende des 19. Jahrhunderts auch als Admiralitätslotsen bezeichnet. Die Lotsordnung blieb bis zur Auflösung der Admiralität 1810 bestehen und hat in der Fassung von 1750 Auswirkung bis heute. Um 1674 kam eine Reihenfolge der Lotsen auf („Bört“). Noch heute regelt die Börtordnung den Einsatzplan der Lotsen. Die Admiralitätslotsen lotsten die Schiffe in der Regel bis Scheelenkuhlen oder bis Glückstadt. Nur in Ausnahmefällen wurden die Schiffe bis Hamburg durchgelotst. Die Overlotsen (Obenlotsen) lösten die Admiralitätslotsen ab und begleiteten die Schiffe bis Hamburg.
„Böhnhasen“ wilderten bis 1756
Seelotsen waren seit der Frühzeit meist "Privatunternehmer". "Staatslotsen" wie in Hamburg waren immer in der Minderheit. Auch als die Lotsen sich seit dem 18. Jahrhundert in Vereinigungen zusammentaten, änderte sich nichts daran. In erster Linie dienten die Zusammenschlüsse dazu, die Bedingungen des Lotsbetriebes zu vereinheitlichen, die feste Reihenfolge (Bört) festzulegen. Erst 1756 wurde "wildes Lotsen" durch nicht zu den Brüderschaften gehörende Lotsen (Böhnhasen) verboten.
Seit Anfang des 19. Jahrhunderts gab es die ersten beiden Leuchtschiffe auf der Elbe, zwischen beiden entstand die erste feste Galiotstation. Die ständige Vergrößerung der Segelschiffe machte es notwendig, den Versetzdienst in sicherer Entfernung von den Sänden durchzuführen. Dazu wurde 1855 der erste Lotsenschoner in Dienst gestellt. Bis 1893 folgten 6 weitere Schoner. Die Schoner waren mit je 10 Kreuzerlotsen besetzt und kreuzten vor Borkum, Norderney, Helgoland, der Wesermündung und zeitweise im Englischen Kanal vor Dungeness. Die Kreuzerlotsen führten die Schiffe bis zur Elbmündung (später bis Cuxhaven) und wurden von den Patentlotsen (früher Hauer- oder Admiralitätslotsen) abgelöst. 1900 schlossen sich die Cuxhavener Lotsen zum Verein der Cuxhavener Lotsenschaft zusammen; 1942 folgte die Gründung der Lotsenbrüderschaft Cuxhaven. Mit dem Abschluss eines Vertrages im Jahre 1865, des Böschregulativs, wurde der Ablauf des Versetzdienstes zwischen den Cuxhavener Seelotsen und den fünf Brüderschaften der Oberlotsen geregelt. 1745 vereinigten sich die in Oevelgönne und Neumühlen ansässigen Lotsen zu einer ersten Elblotsenbrüderschaft. Die Brüderschaft führte eine regelmäßige Börtfahrt ein. Die Schiffe wurden von einer bei St. Margarethen gelegenen Station aus besetzt. Diese Böschstation wurde nach einer gegenüberliegenden Sandbank - der Bösch - benannt. 1895 brachte die Eröffnung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (Nord-Ostsee-Kanal) einige Veränderungen für die Elbe. An den Schleuseneinfahrten wurden zwei Lotsenstationen gebaut, je eine für die Kaiserlichen Kanallotsen und die Elblotsen. Seitdem wird der Lotsenwechsel auf der Elbe vor Brunsbüttel durchgeführt. Das 1905 fertiggestellte Lotsenhaus diente bis 2007 den Elbe- und den Kanallotsen als Einsatzstation. Der Lotsdienst auf der Elbe sah folgendermaßen aus: Die Cuxhavener Seelotsen lotsten die Schiffe von See bis Brunsbüttel und wurden dort von den Kanal- bzw. den Böschlotsen abgelöst. Schiffe aus dem Kanal nach See wurden ebenfalls von Cuxhavener Seelotsen bedient. Von Hamburg nach See gehende Schiffe wurden von den Patentlotsen der fünf Brüderschaften Hamburg, Oevelgönne-Neumühlen, Blankenese, Glückstadt und der Hannoverschen direkt und ohne Lotsenwechsel nach See gebracht.
Zusammenschluss und modernes Lotswesen heute
Mit der Eröffnung des Nord-Ostsee-Kanals und dem Wachstum des Hamburger Hafens wuchs auch der Schiffsverkehr auf der Elbe stark an, ging aber während beider Weltkriege fast vollständig zurück, was viele Lotsen in wirtschaftliche Not brachte. Die Inflation machte zudem die Einlagen in den Pensionskassen der Brüderschaften fast wertlos. Mitten im Zweiten Weltkrieg, am 21. Oktober 1942 gründete sich die heutige Lotsenbrüderschaft Hamburg. 1957 vereinigten sich die Lotsenbrüderschaften Hamburg und Cuxhaven zur Lotsenbrüderschaft Elbe. 1999 schloss sich die Lotsenbrüderschaft Elbe mit den Cuxhavener Hafenlotsen zusammen. Der Hafen von Cuxhaven wird seitdem von den Elblotsen mitbedient.
1954 trat das Gesetz über das Seelotswesen in Kraft, das die Aufgabenverteilung zwischen staatlicher Aufsichtsbehörde, Lotsenbrüderschaften und Lotsen neu regelte. Das Lotseneinkommen richtet sich seitdem ausschließlich nach der Zahl der gelotsten Schiffe (No ships, no fees). Noch heute gilt diese Regelung für die Einkommen der Lotsen.
In den letzten Jahrzehnten hat moderne Technik Einzug in den Lotsdienst gehalten. Mit Radar, Funk und GPS bestimmen Lotsen sicher Schiffspositionen und halten Kontakt zu anderen Schiffen und zu ihren Kollegen an Land. Doch auch die beste Technik kann das Wissen und die Routine erfahrener Lotsen nie ersetzen, weshalb auch heute eine vieljährige, umfangreiche Ausbildung und exzellente Revierkenntnis Voraussetzung für den Lotsenberuf sind – ganz so wie zu Zeiten der alten Admiralslotsen.
Die Herkunft des Wortes Lotse
Übrigens: Das Wort "Lotse" hat nichts mit dem Lot zu tun. Es handelt sich vielmehr um ein zusammengesetztes Wort aus dem Altwestnordischen (Altnorwegisch und Altisländisch): leid-sögu-madr, was so viel bedeutet wie "Weg-sage-Mann". In Altschwedisch heißt er entsprechend ledhsagari. Aus dem Norden ist das Wort ind Altenglische übernommen worden als loadsman und fand dann in abgewandelten Formen (z.B. Leytsager, Leytsmann, Lotsmanne, Lootsmann u.a.m.) den Weg in das Niederdeutsche, die Sprache der Schiffer im hansischen Schiffahrtsbereich. Aus dem Niederdeutschen wurde es schließlich in der Mitte des 17. Jahrhunderts ins Neuhochdeutsche übernommen, zumächst als Lootsmann (1644) und dann verkürzt als Lootse (1662).